Immer wieder ist es in diesen Zeiten diskutiert, wie groß die Auswirkungen des Fußballsports auf die Entwicklung der Corona-Fallzahlen sind. Insbesondere weil die Saison der Amateurfußballer im Saarland durch den Saarländischen Fußballverband jüngst unterbrochen wurde, ist diese Diskussion auch unter den Fußballfans im Saarland präsent. Prof. Dr. Tim Meyer ist der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des DFB und der UEFA und äußerte zuletzt gegenüber dfb.de, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich aktive Spieler*innen auf dem Fußballplatz mit dem Covid-19-Virus anstecken.
Meyer untermauert seine These: "Diese These ist nicht neu. Schon im Frühjahr gab es erste Analysen der DFL, aber auch eine Studie über Kontaktzeiten im Profifußball, die im Auftrag des Niederländischen Fußball-Verbandes KNVB durchgeführt wurde. Übereinstimmendes Ergebnis war, dass während des Fußballspielens die Dauer der engen Kontakte so kurz ist, dass es eigentlich auf dem Spielfeld kaum zu Infektionen kommen kann. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass Fußball entgegen anderslautender Annahmen eben kein Kontaktsport ist, sondern eine Sportart mit geringen Kontakten. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass Fußball im Freien an der frischen Luft ausgeübt wird. Auch dieser Faktor spricht für ein geringes Infektionsrisiko auf dem Fußballplatz. Die Medizinische Kommission des DFB hat am 24. Juni 2020 in einer Stellungnahme die wesentlichen Punkte zusammengefasst und auf das geringe Ansteckungsrisiko beim Fußballspielen hingewiesen. Diese Punkte wurden auch bei der Erarbeitung des DFB-Leitfadens "Zurück ins Spiel" berücksichtigt.", heißt es. Dennoch gibt es bei vielen Fußballern die Angst einer Ansteckung: "Diese Angst war nach meiner Meinung aufgrund der oben genannten Faktoren unbegründet.", erklärt Meyer.
Ein wichtiger Punkt ist aber, dass sich der Spielbetrieb im Fußball nicht nur auf dem Spielfeld abspielt: "Die Beobachtung, dass man sich auf dem Spielfeld sehr wahrscheinlich nicht anstecken kann, bedeutet ausdrücklich nicht, dass dies auch außerhalb des Spielfelds gilt. Es sind Fälle von Ansteckungen bei Mannschaftssitzungen in geschlossenen Räumen, aber auch bei anderen Besprechungen in geschlossenen Räumen bekannt. Offensichtlich wurden bei diesen Fällen die Hygiene- und Abstandsvorgaben nicht beachtet."
Diese Beispiele zeigen, "dass bei Missachtung der Hygienestandards das Infektionsrisiko steigt - auch im Umfeld eines Fußballspiels. Deswegen an dieser Stelle noch einmal der klare Appell: Außerhalb des Spielfeldes müssen die Hygienestandards konsequent umgesetzt werden!", so Meyer. "Bei allen Begegnungen von Menschen muss dem Coronavirus aktiv präventiv begegnet werden. Und das gilt auch im Fußballumfeld, zum Beispiel in Besprechungs-, Umkleide- oder Duschräumen sowie der Vereinsgastronomie. Hält man sich nicht daran, und es treten Infektionsfälle auf, müssen die Gesundheitsämter Konsequenzen ziehen. [...] Allerdings möchte ich auch betonen, dass bei verschiedenen Medienmeldungen über "Infektionen im Fußballumfeld" zwar Menschen infiziert wurden, die auch Fußball spielen, sich die jeweilige Infektion aber eindeutig außerhalb der Fußballaktivitäten ereignet hat, zum Beispiel bei privaten Feiern."
Ein Problem stellt aber die unzureichende wissenschaftlichen Absicherung der genannten Thesen da. Dies räumt auch Meyer selbst ein: "Statt letztlich spekulativer Expertenempfehlungen und Simulationsuntersuchungen sollten wir bald zu aussagekräftigeren Ergebnissen kommen. Wir arbeiten aktuell an verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen, um weitere Erkenntnisse zum Thema zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass wir schon bald Ergebnisse präsentieren können." Gerade die mangelnde wissenschaftliche Belastbarkeit der von Meyer genannten These ist sicherlich ein Hemmnis dabei, sich bei Entscheidungen in Politik und Sportverbänden auf Meyers Thesen zu berufen.