Beim Gastspiel der SG Niederbexbach-Kohlhof beim SV Reiskirchen gab es am Wochenende eine Szene mit Redebedarf. Ein SVR-Akteur erhielt auf der Bank die Rote Karte. Aber darf der Unparteiische das überhaupt? Eine Frage für unseren Mann in Schwarz: Schiedsrichter und Regelexperte Raffaele Veneroso wird sich ab sofort strittigen Regelfragen aus dem Bliestal-Fußball annehmen. Heute geht es um die Frage
"Rote Karte auf der Auswechselbank - geht das?"
Kommt es in einem Spiel zu einem Feldverweis, geht bei allen in Sekundenbruchteilen der Puls hoch. Die Gründe für rote Karten sind allseits bekannt, meist geht es um die typischen Vergehen wie übertriebene Härte, also sogenannte böse Fouls, grobe Unsportlichkeiten - meist Beleidigungen oder Tätlichkeiten - oder die allseits bekannte Notbremse. Auch wenn man mit der Entscheidung des Schiedsrichters hadert, solche Vorkommnisse gehören zum Fußball wie das Toreschießen selbst. Zumindest wenn der Verursacher der roten Karte ein Spieler ist, der auch auf dem Spielfeld stand und am Spiel beteiligt ist. In Reiskirchen hat man jedoch kürzlich erlebt, dass ein Auswechselspieler, der also nicht am Spiel beteiligt ist, eine rote Karte kassierte. Nicht wenigen Zuschauern kam die Frage auf: darf der Schiedsrichter das überhaupt?
"Moment mal, da war doch mal was bei einer Europameisterschaft..." Genau: am 11.06.2000, bei der Begegnung Niederlande gegen Tschechien, hat kein geringerer als Pierluigi Collina für ein Novum gesorgt. In der 89. Minute zeigte der Italiener dem bereits ausgewechselten Tschechen Radek Latal die rote Karte, weil dieser dem 4. Offiziellen in nicht jugendfreien Worten seine Haltung zum kurz zuvor von Collina verhängten Strafstoß mitteilte. Zum damaligen Zeitpunkt war im Regelwerk in Sachen persönliche Strafen (gelbe und rote Karten) nur von Spielern die Rede, die aktiv am Spiel teilnehmen. Bei Vergehen von Spielern, die noch nicht am Spiel teilnehmmen oder bereits ausgewechselt wurden gab es eigentlich nur die separate Sondermeldung. Da von Collina nach dem besagten Spiel dieser Sonderbericht tatsächlich eingereicht wurde gab es anschließed an der Strafe für Latal keine Zweifel. Die FIFA indes nahm die "Lex Collina" - wie das Vorgehen später genannt wurde - zum Anlass, das Regelwerk nahezu unmittelbar zu ändern. Im aktuellen Regeltext heißt es dazu in Regel 5 (Schiedsrichter) unter dem Punkt Disziplinarmaßnahmen:
"Der Schiedsrichter hat.... die Befugnis, ab dem Betreten des Spielfelds zwecks Spielbeginn bis zum Verlassen des Spielfeldes nach dem Ende des Spiels, einschließlich während der Halbzeit, der Verlängerung und des Elfmeterschießens, gelbe oder rote Karten zu zeigen, und, wenn es die Wettbewerbsregeln zulassen, einen Spieler mit einer Zeitstrafe vorübergehend des Feldes zu verweisen"
Dem DFB reichte diese Formulierung nicht und ergänzte in derselben Regel noch als Anweisung (Punkt 8):
"Der Schiedsrichter kann persönliche Strafen (Verwarnungen mit gelber Karte, Feldverweise mit gelb/roter oder roter Karte) gegen Spieler, Auswechselspieler und ausgewechselte Spieler aussprechen, nachdem er und die Spieler das Spielfeld zur Aufnahme des Spieles (Anstoß) betreten haben. Diese Strafbefugnis erstreckt sich auch auf die Halbzeitpause und endet mit dem Verlassen des Spielfeldes."
Somit ging in Reiskirchen bei der roten Karte gegen den auf der Bank befindlichen Auswechselspieler alles mit rechten Dingen zu. Auch die Tatsache, dass die betreffende Person seinen Platz komplett räumen und den Innenraum verlassen musste war eine vorgeschriebene Handlung. Ein Schiedsrichter hat bei Feldverweisen keinerlei Spielraum, die Vorgaben sind diesbezüglich eindeutig und "ein Auge zudrücken" ist hier nicht möglich. Schade, dass dies von vielen anders aufgefasst wird und nicht selten die Schiedsrichter als pedantisch hinstellen, nur weil sie letztlich ihren Job machen. Etwas mehr Verständnis tut allen gut und wirkt sich mit hoher Sicherheit positiv auf die gesamte Atmosphäre aus.
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