Ein Schiedsrichter-Skandal droht den Saarländischen Fußballverband (SFV) zu belasten: Bereits vor einigen Jahren erschütterte ein Fall von sexuellem Missbrauch die Schiedsrichter-Szene im SFV. Nun soll es sexistische Sprüche in einer Schiedsrichter WhatsApp-Gruppe gegeben haben und schwere Vorwürfe werden erhoben.
Im Folgenden fassen wir die aktuellen Informationslage zusammen, die im Wesentlichen auf Berichten von zwei Medien fußt. Sowohl die BILD-Saarland (Artikel vom 2. Februar 2024) als auch die Saarbrücker Zeitung (Artikel vom 7. Februar 2024) berichten über Vorkommnisse im Saarländischen Fußballverband und die Berichterstattungen decken sich in wesentlichen Teilen.
Einer der Vorwürfe auf die in beiden Berichten konkret Bezug genommen wird: Schiedsrichter-Kollegen sollen sich intim herablassend über eine Kollegin geäußert haben. „Derbe sexistisch tauschten sie sich demnach in einem Chat bei Whatsapp aus, der nur Referees zugänglich ist.“, heißt es in der Saarbrücker Zeitung im Bericht vom 7. Februar 2024. „In diesem internen Verlauf wird eine Schiedsrichterin aus dem Saarländischen Fußball-Verband als billiges Objekt der Begierde dargestellt – so die drastischen Anschuldigungen. Diese erhebt die Saarbrücker Rechtsanwältin Rosetta Puma. Sie vertritt die betroffene Schiedsrichterin.“, heißt es im gleichen Bericht weiter.
Die BILD beschreibt die Vorgänge in ihrem Bericht vom 2. Februar 2024 wie folgt: „Die Vorwürfe erheben unabhängig voneinander zwei Schiedsrichter, die bereits Anwälte eingeschaltet haben. Der SFV hat die Beschuldigten erst einmal zurückgepfiffen und ein vorläufiges Funktionsverbot innerhalb des Verbandes ausgesprochen. In beiden Fällen ist nach BILD-Informationen ein Schiedsrichter-Funktionär beteiligt. Der soll sich in einem privaten Chat mit einem weiteren Schiri in sexueller Weise über eine Schiedsrichterin im Saarland geäußert haben. Die bekam davon Wind, leitet aufgrund der mutmaßlichen sexuellen Diskriminierung aktuell keine Spiele mehr – freiwillig!“, heißt es im BILD-Artikel. Neben dem oben genannten Fall spricht die BILD von einem zweiten Fall: „In einem anderen Fall soll der Funktionär einen jüngeren Kollegen in einem Chat aufgefordert haben, Duschfotos von jugendlichen Linienrichtern zu schicken.“ Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken bestätigte nach Aussagen des Blattes gegenüber BILD, „dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Nötigung und der Verleumdung beziehungsweise üblen Nachrede gegen einen Schiedsrichter aus dem Amateurbereich geführt wird“. Der Beschuldigte soll dem Schiri u. a. mit der Veröffentlichung einer Sprachnachricht gedroht haben, um ihn zum Wechsel in eine andere Schiedsrichtergruppe zu bewegen, heißt es in der BILD im besagten Artikel.
Auch beim SFV ist der Fall laut beiden oben zitierten Berichten der Saarbrücker Zeitung und der BILD mittlerweile bekannt. In einem Schreiben an den SFV-Vorsitzenden Herbert Ohlmann, welches der Saarbrücker Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem: „Unsere Mandantin ist schockiert darüber zu erfahren, in welch herabwürdigender Weise sie in zweifellos sexuell bestimmter Absicht Gegenstand von Whatsapp-Chat-Nachrichten geworden ist.“ Diese seien „einer breiten Gruppe von Schiedsrichtern zur Kenntnis gebracht“ worden.
Die Saarbrücker Zeitung beschreibt die Geschehnisse in diesem Fall wie folgt: „Laut Anwaltsschreiben soll in besagter Whatsapp-Gruppe zunächst ein Gruppenfoto geschickt worden sein, auf dem die Mandantin gemeinsam mit zwei Schiedsrichter-Kollegen zu sehen ist. Im Chat seien daraufhin Nachrichten von SFV-Referees gefallen, deren Wortlaut die Anwältin wie folgt wiedergibt: „Bist du gerade geil, wenn du [...] siehst?“ Gemeint ist die Schiedsrichterin. Wenig später folgt die pornografisch wirkende Äußerung: „Spritz schön auf das coole Bild.““, so die Saarbrücker Zeitung.
Durch diese Äußerungen fühle sich die Schiedsrichterin „zutiefst in ihrer Würde tangiert sowie persönlich erschüttert“, heißt es in dem Anwaltsschreiben, welches die Saarbrücker Zeitung in ihrem Artikel zitiert. Die Unparteiische habe daraufhin den Dienst an der Pfeife nicht fortgeführt, heißt es in der Saarbrücker Zeitung. „Gegen beide am Chat beteiligten Schiedsrichter erstattet sie bei der Saarbrücker Polizei Anzeige unter anderem wegen Beleidigung, wie aus dem der Redaktion vorliegenden Schriftstück hervorgeht.“, heißt es in der Saarbrücker Zeitung.
Einer der Vorwürfe im anwaltlichen Schreiben sei es auch, dass der SFV sich nicht oder nicht ausreichend um den Vorfall kümmere. Erst mehr als ein Jahr nach den obszönen Whatsapp-Chats, so schreibt die Anwältin, habe ihre Mandantin davon erfahren. Zum chronologischen Ablauf heißt es im Bericht der Saarbrücker Zeitung: Am 20. November 2023 seien ihr entsprechende Verläufe zugespielt worden. Diese wiederum stammen laut den Ausführungen der Saarbrücker Zeitung schon vom 9. Oktober 2022 also über ein Jahr vor dem Bekanntwerden. Dass zwischen der mutmaßlichen Tat und deren Bekanntwerden so lange Zeit vergangen sein soll, stellt nach Ansicht der Anwältin auch den SFV in ein unrühmliches Licht. Die Anwältin der betroffenen Unparteiischen wird in der Saarbrücker Zeitung wie folgt zitiert: „Schockiert ist sie (die Schiedsrichterin, Anm. d. Red.) darüber, dass erkennbar niemand diesem Treiben Einhalt geboten hat.“
Auf SZ-Anfrage äußerte sich auch SFV-Pressesprecher Michael Scholl, der allerdings laut Angaben der Saarbrücker Zeitung vermied konkret auf die Geschehnisse einzugehen. Der Verband stehe „für ein sportliches und faires Miteinander ein und lehnt jede Form von Diskriminierung ab“, heißt es stattdessen. In diesem Zusammenhang verweist Scholl auf das verbandseigene Projekt „Fußball Verein(t) – Gegen Rassismus“, welches Beratungen und Veranstaltungen anbiete. Auf die Frage, was der Fußballverband im konkreten Fall unternimmt, hält sich Scholl indes bedeckt. Dies deckt sich mit den Berichten der BILD, wo es heißt: Verbands-Pressesprecher Michael Scholl versicherte: „Grundsätzlich steht der SFV aber für ein sportliches und faires Miteinander ein und lehnt jede Form von Diskriminierung ab." So geht er inhaltlich nicht weiter auf die Vorwürfe ein. Schriftlich teilt der Verbandssprecher mit: „Derzeit ist ein Verfahren bei der Spruchkammer wegen unsportlichen Verhaltens anhänglich.“, heißt es in der Saarbrücker Zeitung (Bei der Spruchkammer handelt es sich um ein Schiedsgericht beim Saarländischen Fußballverband d. Red.). Zu laufenden Verfahren gebe der SFV, die Gerichtsbarkeit und die Vorstand „grundsätzlich keine Stellungnahme ab“. Erst nach Abschluss der unabhängigen Sportgerichtsbarkeit werde der Verband über das Ergebnis informieren.
Besonders brisant aus Sicht des Bliestal-Fußballs: Die betroffene Schiedsrichterin, die sich nun laut den beiden Medienberichten juristisch wehrt, stammt nach Angaben der Saarbrücker Zeitung aus dem Ostsaarkreis. Der dortige Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Homburg, Daniel Schmitz, bestätigt entsprechende Informationen der Saarbrücker Zeitung über den Fall gegenüber dem Blatt. Die Betroffene habe ihn darüber informiert. Doch auch er hält sich laut Saarbrücker Zeitung bedeckt. „Ihm sei bekannt, dass das mutmaßliche Opfer eine Rechtsanwältin beauftragte. Auf Verbandsebene laufe ein sportrechtliches Verfahren. Dazu erteilt Schmitz allerdings keine Auskünfte.“, berichtet die Saarbrücker Zeitung.
SCB-Online konnte mit der betroffenen Schiedsrichterin selbst sprechen, diese verwies auf die aktuellen Berichte, teilte aber ergänzend mit, dass die beschuldigten Schiedsrichter nicht aus ihrem Kreis - dem Ostsaarkreis - kommen. In beiden Fällen wird die gleiche Person beschuldigt, in einem Fall hat die Staatsanwaltschaft laut Berichten des Saarländischen Rundfunks bereits ein Verfahren eingeleitet. "Es geht unter anderem um den Verdacht der versuchten Nötigung, Beleidigung und sexuelle Diskriminierung.", heißt es vom SR. Die Betroffene selbst ist enttäuscht über das Verhalten des Verbandes. Das sagt sie der Saarbrücker Zeitung. „Niemand hat sich bislang an mich gewandt, um sich zu erkundigen, wie es mir geht.“ Einzige Konsequenz bislang: Die SFV-Spruchkammer habe ein Funktionsverbot gegenüber den beiden Schiedsrichtern verhängt, bis der Fall geklärt ist. Das habe der SFV ihrer Anwältin mitgeteilt. Man darf gespannt sein über die weiteren Entwicklungen in dieser Angelegenheit.
Quellen:
Schiris beklagen Sexismus (Artikel der BILD vom 2. Februar 2024)
Vulgäre Whatsapp-Nachrichten über Schiedsrichterin: Schwere Vorwürfe im Saar-Fußball (Artikel der Saarbrücker Zeitung vom 7. Februar 2024)
Vorwürfe gegen saarländischen Schiedsrichter (Bericht des Saarländischen Rundfunks vom 7. Februar 2024)